BIOGRAPHIE

Hubert Koch


Hubert Koch (geb. 1932 in Lauscha, Deutschland – 2010) hat sein Werk unter den spezifischen Bedingungen des vom Lampenglas geprägten Glasbläserortes Lauscha und dann auch über eine lange Zeit in der DDR entwickelt. In der DDR verlief die Entwicklung zum Neuen Glas anders als in Westdeutschland. Hier gab es einen Schwerpunkt der kunstgewerblichen Glasproduktion in der Region um Lauscha im Thüringer Wald, dominiert vom Lampenglas. Damit ist die Verarbeitung von Glasstäben und -röhren vor dem Gasbrenner gemeint. Im 18. Jahrhundert entstand mit der Einführung dieser Technik, damals noch mit Öllampen betrieben, eine Heimindustrie. Erste Erzeugnisse waren Glasperlen, später auch Christbaumschmuck, Kunstaugen, hohlgeblasene figürliche Kleinskulpturen in Anlehnung an das Porzellan und aus verschmolzenen Glasstäben gefertigte Zierobjekte wie z.B. Spinnräder. Besondere Aufmerksamkeit fanden vor der Lampe entstandene Nachempfindungen venezianischen Hüttenglases.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden berufsständische Strukturen eingeführt und die Kunstglasbläserei als Lehrberuf etabliert. Aus einer in Lauscha bestehenden Zeichenschule entwickelte sich so die örtliche Berufsfachschule Glas. Innerhalb der heimindustriellen Strukturen führte das dazu, dass einigen herausragenden Gestaltern viele handwerklich perfekte Glasbläser gegenüberstanden, die das künstlerische Talent der ersten nicht vollends teilten. Dort, wo nicht im Auftrag auswärtiger Gestalter wie Marianne von Allesch oder Wolfgang von Wersin gearbeitet wurde, kam es aus diesem Grund zu erheblichen Qualitätsunterschieden. Als die figürliche “Vitrinenware”, Tiere, Blumengestecke und Menschendarstellungen, in den Notzeiten der frühen 1930er Jahre das wirtschaftliche Überleben der vielen kleinen Familienbetriebe nicht mehr sicherstellen konnte, kam es zu Bestrebungen des thüringischen Wirtschaftsministeriums, die Produktion auf Gebrauchswaren wie Trinkgläser oder Teeservice umzustellen. Es beauftragte 1933 den von den Ideen des Werkbundes geprägten Bauhausschüler Wilhelm Wagenfeld (1900–1990), durch das Abhalten von Kursen in Lauscha entsprechende Impulse zu setzen. Doch wurden diese Ideen nur zögerlich angenommen und kamen mit dem Beginn des Krieges nahezu zu einem Ende. Nach 1945 wurde die Produktion von „Vitrinenware“ überwiegend wieder aufgenommen. Einzig Albin Schaedel (1904–1999) ließ sich zu Beginn der 1950er Jahre darauf ein, völlig ins Gefäß zu wechseln. Schon bald ließ er mit aufwendigsten Montagetechniken jeden Gedanken an eine Nutzung seiner Glaser verblassen. Durch Westkontakte vermittelt wurden drei seiner Gefäße auf der bedeutenden „Glass 1959“-Ausstellung des Corning Museum of Glass in den USA gezeigt, einer weltweiten Bilanz der damals aktuellen Entwicklungen im Glas. Sie zogen viel Aufmerksamkeit auf sich. Nun begann man auch in Lauscha, sich dem Gefäß stärker zu öffnen.

Es kam noch eine zweite Entwicklung hinzu: Seit den 1950er Jahren wurde in der DDR in mehreren Schritten begonnen, Betriebe im Sinne sozialistischer Produktionsverhältnisse zuerst zu Genossenschaften und dann zu noch größeren Einheiten bis hin zu Kombinaten zusammenzuführen. Wer eigenständig arbeiten wollte, konnte dies in zunehmendem Maße nur durch die Anerkennung als „Kunstschaffender im Handwerk“ oder als Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR, Sektion Formgestaltung und Kunsthandwerk. Eine Aufnahme in den Verband konnte für Glasgestalter seit dem Ende der 1950er Jahre aber nicht mehr allein mit Tierfiguren oder anderen figürlichen Darstellungen erreicht werden. In Lauscha fand sich in den 1960er Jahren eine Gruppe von handwerklich ausgebildeten, mit der Meisterprüfung versehenen Kunstglasbläsern unter Koordination des Museumsleiters Rudolf Hoffmann zu Weiterbildungen zusammen. Höhepunkt war ein Fernlehrgang an der Fachschule für Gestaltung Schneeberg zu Beginn der 1970er Jahre mit dem Schwerpunkt Gefäßgestaltung. Eine ganze Reihe der Teilnehmer erreichte einen Abschluss als Glasgestalter. Sechs von Ihnen wurden in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen. 1977 traten sie auf dem ersten Coburger Glaspreis erstmals international auf und fanden als eigenständige Richtung des Neuen Glases große Beachtung.

Hubert Koch war ein Exponent dieser Gruppe. Mit einem Unterschied gegenüber den anderen: Er nahm nicht am Lehrgang in Schneeberg teil. Während die Lehrgangsteilnehmer zwar alle eigene Formsprachen fanden, sich dabei aber mit ihren Lampenarbeiten aus dem Fahrwasser von Albin Schaedel nicht grundsätzlich befreien konnten, ist Hubert Koch genau dies gelungen. Ehemals selbständig als Kunstglasbläser und Produzent von Präparatorenaugen, war er künstlerisch ein Autodidakt. Mit seiner Verbindung von höchst aufwendigen Montagetechniken und dem Einsatz von Glasemail, den er von der Herstellung der Präparatorenaugen beherrschte, fand er zu eigenständigen Gestaltungen. Seine Glaser sind geprägt von schwellenden, weichen Formen. Faden- und Netzmuster erinnern oft an organisch gewachsene Naturformen wie Holzmaserungen, Federn oder die Schichtungen von Eis über Pfützen im Winter. Große Naturverbundenheit und tägliche Waldspaziergange machen diese Formsprache verständlich– Koch hat mit ihr die Natur aber nie bloß abgebildet. Seine Arbeiten spiegeln eine kontemplative Grundhaltung, wie Clementine Schack von Wittenau schreibt, in der die Naturerfahrung im Mittelpunkt steht. Ruhe und Spannung entstehen durch den Kontrast transparenter, „leerer“ Flachen zu mal sanft und mal prägnant durchgearbeiteten Gestaltungen. In einer Würdigung des Werks von Hubert Koch fragte der ehemalige Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg Joachim Kruse, ob es übertrieben sei, wenn er ihn bei sich selbst den „Weltmeister der Lampenglasbläser“ nennen würde: „Solche Glaser hat niemand vor ihm gemacht, und sie wird auch keiner nach ihm machen.“
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung