BIOGRAPHIE

Oliver Leššo


Oliver Leššo (geb. 1973 in Bratislava, Tschechoslowakei) ist nach einer Ausbildung als Keramiker 1987 bis 1991 an Fachhochschule für Angewandte Kunst Bratislava ins Glas gewechselt. An der Akademie der Schönen Künste und Design Bratislava studierte er unter dem Cigler-Schüler Juraj Gavula von 1993 bis 1999 Glas und Skulptur und ist seitdem als Freier Künstler tätig.

Die Trennung der ČSSR in die Tschechische und die Slowakische Republik zum Jahreswechsel 1992/93 und die damit verbundene Suche und Formulierung von eigenen Identitäten hatte auch Konsequenzen bis in die Wahrnehmung der künstlerische Gestaltung von Glas hinein. So wurde und wird noch immer die Gründung einer künstlerischen Ausbildung für Glas in der Architektur an der Hochschule für Bildende Künste in Bratislava 1965 durch den Tschechen Václav Cigler als ein entscheidender Faktor in der Entwicklung einer unabhängigen slowakischen Glaskunst begriffen, die in den 1970er und 80er Jahren mit den Vertretern der Cigler-Schule und ihren unterkühlten geometrisch-abstrakten Objekten aus geschliffenen optischen Gläsern eine internationale Blüte erlebte.

Oliver Leššo wird häufig als ein herausragender Nachfolger dieser slowakischen Glastradition der 1970er Jahre gesehen. Er arbeitet viel mit farblosem optischen Glas und hat eine Vorliebe für geometrische Formen. Perfekter Schliff und Politur haben eine große Bedeutung für sein Werk. Die Einzelteile, aus denen seine Arbeiten bestehen, verklebt er jedoch meist nicht mehr, wie es in den 1970er Jahren üblich war, sondern er verschmilzt sie in Formen miteinander. Noch während des Studiums fand er zu der Formensprache, die ihn in Kürze international bekannt machte. Das entscheidende Kriterium bei seinen Skulpturen ist der Spannungsaufbau durch eine minimalistisch einfache äußere Form und eine dynamische Architektur des inneren Raumes. Die Form ist meist von Kreisen, Dreiecken oder Pyramiden abgeleitet. Die Oberflächen sind geschliffen, gelegentlich ist das linsenartig konvex oder konkav geschehen, und sie sind poliert. So geben sie Einblick in die Tiefe des Raumes. Die Arbeiten sind aus Abschnitten von eckigen Glasstäben oder flachen Glasstreifen zusammengesetzt. Leššo hat einen Teil ihrer Außenwände grobkörnig matt geschliffen und sie dann in einer Form gestapelt. Durch die Hitzeeinwirkung verschmelzen die einzelnen Elemente miteinander zu einem einzigen formgeschmolzenen Objekt. Die geschliffenen Wände erscheinen dabei undurchsichtig opak und bilden raster- oder wabenartige Strukturen. Der Schmelzvorgang führt zu Unregelmäßigkeiten in diesen Strukturen, die das Werk beleben, aber nie unruhig wirken lassen. Setzt er Farbglas ein, so entstehen durch die variierende Dicke des Glases Farbverläufe. Die eigentliche Skulptur entsteht jedoch erst im Auge der Betrachter, da sich ihr Erscheinungsbild mit wechselndem Licht und unterschiedlichen Brechungswinkeln permanent verändert.

Leššo versteht seine Arbeiten nicht als Spielereien mit den optischen Effekten von Glas, sondern er sieht sie in einem lyrisch-poetischen Kontext. Auf seiner Website schreibt er, dass Glas ihm erlauben würde, Gedichte zu schreiben. Er sei “wie ein Dichter, der in Glas schreibt, Gedanken an eine eisige Sonne formuliert, die scheint und sich in einem bestimmten Moment verdunkelt, ein eisiger Wind, der bläst, für einen Moment kühlt, ein frostiges Echo. […] Die Augen, [Thema eines Arbeitszyklus], sind die Tore des Körpers”.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung