BIOGRAPHIE

Oldřich Lipský


Oldřich Lipský (geb. 1922 in Nové Město nad Metují, Tschechoslowakei – 1987) erlernte das Handwerk des Glasschleifers in einem Betrieb in seinem Geburtsort. Nach einigen Jahren der Arbeit in diesem Beruf und der Kriegszeit, die er teilweise als Zwangsarbeiter in Berlin verbrachte, absolvierte er 1948 bis 1950 an der Glasfachschule Kamenický Šenov eine Ausbildung zum Glasschneider. Anschließend arbeitete er bei Umělecké sklo, dem 1946 verstaatlichen Glasveredlungsbetrieb der bedeutenden Wiener Glas- und Porzellanhändler J. & L. Lobmeyr. Erst dann, Lipský war schon fast dreißig Jahre alt, folgte ein Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Prag, das er 1955 abschloss. Er begann in der Glasgravurklasse des Bildhauers Karel Štipl. Als Lipský wegen seiner langjährigen Berufspraxis darum bat, anstelle der Elementarausbildung in den ihm vertrauten Schnitt- und Schlifftechniken beim Modellieren eines Parallelkurses teilnehmen zu dürfen, wurde ihm das mit dem Argument verwehrt, dass es keine Ausnahme geben dürfe. Er zog die Konsequenz und wechselte in die Klasse des Malers und Bildhauers Josef Wagner, der eine Abschlussarbeit mit dem Material Glas zuließ. Lipský schloss sein nun bildhauerisch orientiertes Studium mit Auszeichnung ab. Es folgten lange Jahre im Dienst der Glasfachschulen, wo er zunächst bis 1965 in Kamenický Šenov den Glasschliff unterrichtete, und dann nach Nový Bor ging, wo er erst die Heißglasabteilung leitete und von 1972 bis 1982 als Direktor der Schule vorstand.

Durch die Zunahme der administrativen Aufgaben verwundert es nicht, dass die gestalterischen Impulse von Lipský in den 1950er und 60er Jahren liegen. Einerseits arbeitete er wie viele andere tschechoslowakische Glasgestalter mit den großen Glaswerken zusammen und entwarf für sie Gebrauchsobjekte wie Vasen, Schalen oder Trinkglasservice, mit denen er zum Teil auch auf den großen internationalen Ausstellungen vertreten war. Zum anderen hatte er nach seinem Wechsel ins Heißglas mit dem Schulofen besondere Arbeitsmöglichkeiten, die ihm Experimente erleichterten, wie sie in der ČSSR lange Zeit unüblich waren. Während sich in den USA angehende Glaskünstler an den neuen Studioöfen die grundlegenden Arbeitstechniken aneigneten, experimentierten sie unbefangen mit dem für sie neuen Material. In Europa herrschten demgegenüber gewachsene Traditionen und Vorstellungen, wie Glas genutzt wird. Die Suche nach ungewöhnlichen Materialkombinationen oder gewagten Techniken jenseits des gesicherten handwerklichen Kanons hielt sich in Grenzen. “Umso auffälliger ist ein Künstler wie Oldřich Lipský, dessen Werk fast ausschließlich durch experimentelle Arbeit an neuen Hüttentechniken definiert ist. Seine Vasenobjekte mit eingeschmolzenen Drahtgittern sind für ihre Zeit ebenso ungewöhnlich wie die Arbeit mit in die Wandung eingebetteten Kupferplättchen” wie Helmut Ricke schreibt. Aber auch schon vorher ist vielen seiner Arbeiten die Experimentierfreude anzusehen, z.B. bei den Vasen aus farblosem Glas, die erst farbig gebeizt und dann mit gazeartigen Mustern geätzt sind.
Uwe Claassen

Skulptur: Vase

Achilles-Stiftung