BIOGRAPHIE

László Lukácsi


László Lukácsi (geb. 1961 in Budapest, Ungarn) beeindruckt mit seinen in den letzten Jahren entstandenen fächerartigen Skulpturen. Niemand geht unbeeindruckt an ihnen vorüber. Fast scheint es, dem Künstler würde es auf spektakuläre Weise gelingen, Raum und Zeit aufzulösen und sie wie es ihm beliebt, neu zusammenzusetzen. Vermeintlich greifbare, farbige Volumina verschwinden und werden an anderer Stelle durch neu erscheinende ersetzt. Die reinen Töne des Farbspektrums scheinen in der Skulptur zu schweben. Sie wechseln beim Umschreiten der Arbeit ihre Tonalität und verändern auch je nach dem Blickwinkel des Betrachters ihre Position. Doch ist es keine Magie, die hier Anwendung findet, sondern die physikalischen Gesetze der Lichtbrechung, langjährige Erfahrung in der Ausführung der nötigen Arbeitstechniken, der unbedingte Wille zur Perfektion und viel Durchhaltevermögen.

Der Vater von Lukácsi arbeitete einer Spiegelfabrik. Er nahm seinen Jungen immer wieder mit zur Arbeit, wo dieser sich in den kalten Verarbeitungstechniken Schneiden, Schleifen und Polieren übte und darin Talent zeigte. Das Glas hatte ihn gepackt und schnell war damit der Wunsch nach einer beruflichen Perspektive verbunden. Nach der Schule besuchte Lukácsi die kunstgewerbliche Berufsschule in Budapest. Seine Lehrer, die ihn sehr förderten, waren unter anderem der Bildhauer Béla Tóth und Zsuzsa Vida, die in den 1960er Jahren an der Prager Kunstgewerbehochschule bei Stanislav Libenský Glasgestaltung studiert hatte. 1980 begann Lukácsi an der Hochschule für Angewandte Kunst in Budapest ein Studium in der Glasklasse von Zoltán Bohus. Während dieser Zeit experimentierte der auch handwerklich-technisch begabte junge Künstler an einem kleinen Schmelzofen, den er im Waschraum im fünften Stock des Mietshauses, in der er wohnte, selbst gebaut hatte, mit Hüttentechniken. Letzten Endes legte er sich jedoch auf die ihm vertrauten kalten Techniken fest. Wie sein Lehrer Bohus begann Lukácsi, Glasscheiben zu verkleben und zu geometrischen Skulpturen zu schleifen. Diese Scheiben sind zum Teil mit dichroitischen Beschichtungen versehen, d.h. dünn mit Metallen bedampft. Die metallischen Schichten bewirken einen Spiegeleffekt und je nach ihrer Dicke unterschiedliche Lichtbrechungen, so dass das durchfallende Licht entsprechend des Betrachtungswinkels in die unterschiedlichen Spektralfarben zerfällt. Da zwischen den bedampften Oberflächen die Ebenen des durchsichtigen Trägerglases liegen, entsteht eine Tiefenwirkung, die je nach Blickwinkel mal mehr vom Trägerglas und mal mehr von den Farbwirkungen dominiert wird. In einem ungeheuer aufwendigen und stets von der Zerstörung des Rohlings bedrohten Arbeitsprozess schleift und poliert Lukácsi seine Werkstücke über Wochen und Monate, bis das optimale Ergebnis erzielt ist. Künstlerkollegen wie Richard Meitner oder Ursula Huth berichten beeindruckt von der ruhigen Intensität und der Fokussierung, mit der er arbeitet und dabei sein gesamtes Umfeld selbst bei besucherreichen Symposien ausblendet. “Völlig in Konzentration aufgegangen, wie in einer Meditation, wird am Ende ein zauberhaftes Objekt – ein Kunstwerk – aus seinen Händen geboren”. Der letzte Arbeitsschritt besteht aus einem sorgfältigen Säurebad, das die samtige Oberfläche erzeugt.

Seit den 1980er Jahren hat sich diese Arbeitsweise von Lukácsi nicht mehr grundlegend verändert. Langsam, aber stetig entwickelt er sein Werk. Waren zuerst geradlinige, geometrische Grundformen dominant, so sind seit den 1990er Jahren vermehrt weichere Linien und fließende, gebogene Oberflächen eingekehrt. Seine Inspiration zieht der Künstler vor allem aus der Natur, in der er “den größten Künstler” sieht. Kieselsteine, Wassertropfen und Blätter bildet er aber nicht abstrahierend oder gar realistisch ab. “Seine Werke gehen weit über das rein Ästhetische hinaus. Im Spiel um Licht und Dunkelheit und im Übergang vom einen zum anderen zeigen sie ungeahnte Tiefe” schreibt Reino Liefkes. Andrea Máté vergleicht sie mit der Kunst der Fuge in der Musik: Auf der Basis mathematischer Präzision und Struktur entwickelt sich die Schönheit der Harmonie. László Lukácsi gelingt so “die Transmutation von einfachen Glasstücken zu Kunst durch Magie”. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Serie der Fächer, die in den letzten Jahren entstanden ist.

An Meditation erinnerndes Durchhaltevermögen braucht Lukácsi bei der monotonen Arbeit des Schleifens und Polierens, bei der langsamen Entwicklung seiner Kunst, die aus der tiefen und umfassenden Kenntnis des Materials und der Erfahrung des Umgangs mit ihm erwächst und auch bei der Anerkennung seines Werks. In der seiner Heimat und in Übersee, vor allen in Japan und den USA, sind seine Arbeiten kontinuierlich anerkannt worden. Aber gerade in Europa fiel seine Entscheidung in den 1980er Jahren, mit den optischen Eigenschaften des Glases zu arbeiten, in eine Phase der Umorientierung der Glasszene. Das seit den 1960er Jahren dominierende optische Glas wurde durch Formschmelztechniken verdrängt und so blieb ihm in weiten Teilen des Kontinents der große Durchbruch verwehrt. Unbeirrt hat er sein Konzept weitergeführt und reifen lassen und so einem als abgeschlossen geltenden Kapitel mit Kreativität, Findigkeit und Beharrungsvermögen neue faszinierende Aspekte hinzufügen können. 2010 erhielt er beim Glaspreis im japanischen Kanazawa für seine fächerartige Skulptur “Juwel” den Goldenen Preis. Die Arbeit mit formgeschmolzenem Glas war nun auch nicht mehr neu und inzwischen seinerseits in eine Krise geraten. In dieser Phase hatte Lukácsi seine Arbeit auf einen Höhepunkt zu entwickelt, der nun auch von Sammlern und Kritikern sowie einem breiten Publikum anerkannt wurde, wie zahlreiche Preise bei Wettbewerben und Publikumsjurys in aller Welt und auch in Europa zeigen. Ein stimmiges künstlerisches Konzept und Können sind nicht alles, was man für den Erfolg benötigt. Dazu gehört auch Beharrungsvermögen, mit der eigenen Arbeit den wechselnden Moden des Kunstmarktes zu trotzen und einfach nur Glück.
Uwe Claassen

Skulptur: Juwel

Achilles-Stiftung