BIOGRAPHIE

Jaroslav Matouš


Jaroslav Matouš (geb. 1941 in Hlinsko v Čechách, Tschechoslowakei) ist ein Maler und Zeichner, der das Glas nicht nur als Malgrund ansieht, sondern es auch in seinen plastischen Qualitäten ernst nimmt. Nach dem Besuch der Glasfachschule Železný Brod von 1956 bis 1960 hatte er sein Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Prag noch bei dem 1962 verstorbenen Josef Kaplický (geb. 1899) begonnen und gehörte zu den ersten Studenten von dessen Nachfolger Stanislav Libenský. Als er die Hochschule 1967 verließ, galt die Malerei auf Hohlglas jedoch als künstlerisch ausgereizt. In einem großen Aufschwung befand sich das geschliffene optische Glas mit abstrakt geometrischen Gestaltungen. Matouš schloss sich dieser Bewegung an, verband sie aber mit grafischen Elementen. Mittels Diamantriss, Ätzung oder Sandstrahlen gestaltete er die Oberflächen seiner Arbeiten, später auch die einzelner Schichten verklebter Objekte. Gegenständliche Motive wie zum Beispiel Landschaften verändern sich durch die optischen Effekte der Lichtbrechung je nach Blickwinkel der Betrachter.

In den 1980er Jahren waren es Künstler wie Bohumil Eliáš Sen., Vladimír Kopecký und eben Jaroslav Matouš, die der Malerei auf Glas eine neue Perspektive gaben, der zahlreiche Kolleginnen und Kollegen folgen sollten. Das wesentliche Kriterium ist dabei, das Glas nicht mehr nur als Träger einer dekorativen Malerei aufzufassen, sondern bemalte Skulpturen zu schaffen, bei denen plastisches Arbeiten und Malerei gleichberechtigt nebeneinander stehen und sich aufeinander beziehen. Matouš begann, Zylindern aus hohl geblasenem Glas mit Bohrer und Säge Durchstoßungen und Ausbrüche zuzufügen. Die Malerei bezieht sich auf diese plastischen Formen bzw. sind sie aufgrund einer malerischen Idee entstanden. Die Linie als grafisches, zweidimensionales Element findet in vielen Arbeiten eine plastische Fortsetzung durch Drähte, auf die Glastropfen wie Perlen gesetzt sind. Diese perlen- bzw. tropfenbesetzten Drähte sind zu einem besonderen, immer wiederkehrenden Kennzeichen seines Werks geworden. Sie binden auch mehrteilige Objekte zusammen und bekrönen formgeschmolzene schalenförmige Skulpturen. Seit der Jahrtausendwende arbeitet Matouš auch mit verschmolzenen und abgesenkten Flachgläsern. Immer wieder tritt er auch mit großenformatigen raumbezogenen Installationen auf, wie zum Beispiel 1992 bei der Weltausstellung in Sevilla.

Inspiration für seine Arbeit findet Matouš in der Natur seiner Heimat auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, wo sich sein abgelegenes Atelier befindet. Oft stehen sensible Beobachtungen unscheinbarer, alltäglicher Dinge, die erst auf den zweiten Blick wahrgenommen werden, am Beginn seiner Kunst. Das können Tautropfen auf Moospolstern und Blütenkelche sein oder auch eine blühende Wiese aus der Vogelperspektive. Matouš bildet sie nicht einfach ab, sondern erfindet eine höchst poetische Formensprache, mit der er auch die Flüchtigkeit des Moments, das fragile Werden und Vergehen in der Natur einfängt. „In ihrer lyrischen Grundstimmung, die wesentlich aus der absoluten Ausgewogenheit zwischen Glas und Farbe resultiert, sind die neueren Arbeiten Jaroslav Matouš’s in der Glaskunst Europas ohne Parallele“, wie Helmut Ricke schrieb.
Uwe Claassen

Skulptur: Nest

Achilles-Stiftung