BIOGRAPHIE

Frank Meurer


Frank Meurer (geb. 1976 in Solingen, Deutschland) wollte beruflich etwas mit Grafik machen, aber nicht nur am Zeichentisch oder dem Computer sitzen, sondern die Tätigkeit mit einem Handwerk verbinden. So kam er auf das Glas. 1998 bis 2001 absolvierte er eine Ausbildung zum Glasbildner an der Glasfachschule Zwiesel. Hier lernte er auch die Arbeit am Schmelzofen kennen, die ihn faszinierte. An das Examen schloss er eine Ausbildung als Glasmacher an und ging danach gleich in die Selbständigkeit. Zunächst arbeitete er in der Werkstattgemeinschaft Hirschenstrasse in Fürth am Ofen von Cornelius Réer. 2005 baute er in Munster in der Lüneburger Heide sein eigenes Studio auf. Seit 2011 ist er auf einen ehemaligen Nebenerwerbsbauernhof in Karwitz/Lenzen im Wendland umgezogen.

Es hat nicht lange gedauert, bis die Arbeiten von Meurer auffielen. Zuerst waren es vor allem Gemeinschaftsarbeiten mit seiner Frau, der Weidenflechterin Diana Stegmann, die auch international wahrgenommen wurden. Zunächst umflocht Stegmann Glasvasen ihres Mannes („umflochten“). Dann ergänzte sie ausgesparte Bereiche an Schalenobjekten („verflochten“). Der vorläufig letzte Schritt dieser Werkgruppen gilt dem Thema Original und Reproduktion. In der Serie „ein paar“ nimmt das Glas die Form des Geflechts mit seinen organischen Wandstrukturen an, indem es in eine von der Vorlage abgenommene Form geblasen ist. So loten Meurer und Stegmann den Zusammenklang der beiden Materialien mit ihren so unterschiedlichen haptischen und visuellen Eigenschaften aus. Aus einer einfachen Idee wurde eine unverwechselbare Formensprache.

Der Kern von Meurers Arbeit der letzten Jahre sind Unikate in Form von Schalenobjekten. Es sind stark dickwandige Kugeln, die oben angeschnitten und deren Außenwände zumeist mattiert sind. Aus der Ferne und auf den ersten Blick wirken sie oft unscheinbar. Beim Herantreten offenbart sich dann im brillant klaren Glas ihrer Wandungen ein vexierbildhaftes Spiel aus Linien und Flächen. Mal sind es symmetrische, netzartige Strukturen und dann vorsichtig tastende Linien. Mal spielt Farbe eine wichtige Rolle und dann dominieren Schwarz und Weiß. Wie in Wasser oder Luft scheint das Innere zu schweben. Die nächste Strömung, der nächste Luftzug könnte es verwischen. Gegensätze lösen die Faszination dieser Arbeiten aus: Von außen zunächst spröde, offenbart sich in ihrem Inneren Klarheit und der Glanz von Lichtreflexen. Der Eindeutigkeit der Linien und Strukturen steht ihre Spiegelung gegenüber. Es entstehen Überlagerungen, bei denen oft nur erahnt werden kann, was echte Materie ist, und was ihr gespiegeltes Abbild. Beim Umrunden der Arbeit entstehen so im Auge der Betrachter ständig neue imaginierte Räume, die in den vorgeblich klar definierten Raum der Kugel hineingelesen werden. Der großen Masse des dickwandigen Glases tritt so eine sensible, spielerische Leichtigkeit entgegen. Es sind Arbeiten für den zweiten Blick, die nicht schon aus der Ferne betrachtet eine große Präsenz entfalten. Sie wollen entdeckt werden. Was bei ihnen zählt, ist das Gegenwärtige, das Hier und Jetzt und das Faszinosum, wie unterschiedlich es aus verschiedenen Blickwinkeln wahrgenommen werden kann und sich je nach Sicht verändert.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung