BIOGRAPHIE

Pavel Molnár


Pavel Molnár (geb. 1940 in Vojnice, Tschechoslowakei) hat nach seiner Ausbildung von 1957 bis 1960 an der Glasfachschule in Železný Brod in der Industrie als Laborglasbläser für den technischen Apparatebau gearbeitet. Das ist eine Tätigkeit, bei der in der Hütte gefertigte Glasröhren vor einer Lampe, dem Gasbrenner, zu Laborgerät verarbeitet werden. Nach seiner Übersiedlung aus der Tschechoslowakei in die Bundesrepublik Deutschland 1965 ging Molnár diesem Beruf weiter nach. Allerdings begann er sich jetzt als Autodidakt auch kunstgewerblichen Arbeiten zuzuwenden. Ab 1968 konnte er sich diesem Arbeitsbereich ganz widmen, als er eine eigene Werkstatt eröffnete und im Deutschen Museum in München die Vorführwerkstatt Glas betrieb. Pavel Molnár und der zwanzig Jahre ältere, ebenfalls aus dem Glasapparatebau stammende Kurt Wallstab (1920–2002) stehen am Beginn der künstlerischen Lampenarbeit in Westdeutschland. Diese Arbeitstechnik hatte in Lauscha im Thüringer Wald, in der DDR, ihren Schwerpunkt. An der Berufsfachschule in Lauscha existiert ein Ausbildungsweg zum Kunstglasbläser. In Westdeutschland gab es demgegenüber für das Lampenglas nur Ausbildungen im Glasapparatebau. Wallstab, aus Lauschas Nachbarort Neuhaus am Rennweg gebürtig und seit 1955 in Westdeutschland, kannte die Entwicklung in seiner alten Heimat und orientierte sich ab Mitte der 1960er Jahre immer mehr weg vom Apparatebau und ebenfalls als Autodidakt hin zur künstlerischen Gefäßgestaltung. Mit dem einsetzenden Erfolg folgten ihm und Molnár immer mehr Kollegen aus dem Apparatebau in den kunstgewerblich-künstlerischen Bereich.

Pavel Molnár, der 1974 einen Sonderlehrgang an der Akademie der Bildenden Künste bei Aloys Gangkofner absolviert hat, orientierte sich zunächst für kurze Zeit an antiken Gläsern und am damals wiederentdeckten Jugendstil. Auch im Lampenglas gab es mit den filigranen Trinkgläsern Karl Koeppings (1848–1914) herausragende Vorbilder. Aber Molnár schwamm sich schon bald davon frei und gelangte zu einer höchst eigenen Formensprache. Für das im Apparatebau gebräuchliche farblose Borosilikatglas gab es um 1970 nur sehr wenige kompatible Farbgläser. Während seine Kollegen sich mit Dekors aus der Montage unterschiedlich farbiger Gläser befassten, wandte sich Molnár ganz der Farbe zu. In langen Versuchsreihen erprobte er die Möglichkeiten, auf das Glas aufgetragene Metalloxide durch die oxidierende bzw. reduzierende Wirkung der unterschiedlichen Zufuhr von Gas und Sauerstoff zu färben. So entstanden zarte Farbverläufe in einer leicht schrundigen Oberfläche. Diese Arbeiten sind von gedämpften Farbtönen geprägt. Das änderte sich auch nicht, als Molnár in den 1970er Jahren mit Weichglas zu arbeiten begann, in das er kleine bleihaltige Glasbrocken einarbeitete. Das Blei löste sich beim Einschmelzen und bildete spezifische grafische Muster.

1977 zog Molnár nach Barsbüttel bei Hamburg, wo er seine Werkstatt in einem großen Bauernhaus einrichtete. 1979 ergänzte er sie durch einen Studioofen. Objekte aus Lampenglas haben aufgrund ihrer geringen Wandstärke eine völlig andere Anmutung als dickwandige Hüttenarbeiten. Vor allem entwickeln die Farben unter einer farblosen Glasschicht eine viel größere Brillanz, als wenn sie an der Oberfläche liegen. Allerdings ermöglicht die Arbeit vor der Lampe eine stärker kontrollierte Gestaltung von grafischen Elementen, als es am Ofen möglich ist. Molnár begann nun beide Techniken miteinander zu verbinden. Einen vor der Lampe entstandenen Rohling setzte er auf die Glasmacherpfeife, überstach ihn mehrfach mit farblosen Glas und formte dann Gefäße und Stelen. Eine weitere Arbeitsweise sind seine gegossenen Blöcke, in die zwischen farblosen Schichten vor der Lampe vorbereitete figürliche und abstrakte Elemente eingelegt sind. Seine Themen kreisen immer wieder um die Beziehung von Mann und Frau.

Im gleichen Haus, in dem Pavel Molnár arbeitete, hatte auch sein Bruder Andreas eine Lampenglaswerkstatt eingerichtet, in der er mit einigen Mitarbeitern Entwürfe von Pavel in limitierten Serien herstellte. Sie kamen unter dem Signet „Atelier Molnár“ in den Handel. 1993, bald nach der Samtenen Revolution, ging er zurück in die Tschechische Republik.
Uwe Claassen

Skulptur: Kopf

Achilles-Stiftung