BIOGRAPHIE

Tchai Munch


Tchai Munch (geb. 1954 in Hobro, Dänemark) entdeckte das Glas an der Skole for Brugskunst in Kopenhagen, wo sie eine Zulassung für die Keramik-Abteilung erhalten hatte. Der Keramiker Torben Jørgensen war von der Glasbegeisterung seines Kollegen Finn Lynggaard angesteckt worden und konnte nach einem Kurzlehrgang an der Orrefors-Glasschule ab 1973 eine Glaswerkstatt aufbauen, die der Keramikabteilung der Kopenhagener Schule angegliedert war. Die glühende Glasmasse erinnerte Tchai Munch an die Sonne Australiens, wo sie einen Großteil ihrer Kindheit verlebt hatte. Sie war sofort in ihren Bann gezogen, genauso wie von der pulsierenden Atmosphäre in der Klasse. 1978, nachdem Jørgensen als Designer zu Holmegard wechselte, übernahm Finn Lynggaard den Unterricht. Die Begegnung mit ihm hatte weitreichende Bedeutung: Erst wurde er Tchai Munchs Lehrer, später ihr Arbeitgeber, dem sie assistierte, und schließlich ihr Partner, mit dem sie sich gleichberechtigt die Werkstatt teilte, und schließlich ihr Ehemann.

1980 machte Munch ihren Abschluss. In diesem Jahr verließ auch Finn Lynggaard die Schule. Er mietete sich für den Sommer in dem kleinen jütländischen Ostseestädtchen Ebeltoft in die seit kurzem bestehende Glaswerkstatt von Do Mills Karslund ein, die er, begeistert von der Stadt, noch im gleichen Jahr übernahm. Gemeinsam mit Tchai Munch, die ihn zunächst als Assistentin begleitet hatte, gründete er “Ebeltoft Glas”, eine Werkstatt mit angeschlossener Galerie. Um diese Werkstatt und das 1986 eröffnete Glasmuseum entwickelte sich Ebeltoft zu einem Zentrum der europäischen Glasszene. Viele Gäste kamen, um das Paar zu besuchen, hier zu arbeiten, über Glas zu sprechen und zu feiern. Kein Wunder, dass im Ort und im Umland weitere bis heute bestehende Glaswerkstätten entstanden, gegründet oftmals ebenfalls von Paaren, z.B. von den international bekannten Tobias Møhl und Trine Drivsholm, Steffen Dam und Micha Karlslund oder Ned Cantrell und Karen Nyholm.

An der Schule hatte Tchai Munch eine breite Palette an Gebrauchsglas entworfen und gefertigt. Karaffen und Trinkgläser, Schalen und Teller, schlicht in der Form und häufig dekoriert mit wenigen aufgelegten farbigen Glasfäden. Aus Fadenglasstäben komponierte Muster wurden in Ebeltoft zu ihrem vielfach variierten Thema, mit dem sie eine unverwechselbare Formensprache schuf. Am Glasofen zieht sie dafür Stäbe. Diese werden abgekühlt segmentiert. Die Abschnitte legt sie zu Mustern, die sie im Elektroofen erst zu Platten miteinander verschmilzt und dann in einem zweiten Ofengang die Platten über Formen zu Schalen absenkt. Antike und venezianische Arbeitstechniken nutzt sie hier für zeitgemäße Gestaltungen. Für sie selbst bedeutet die Arbeit mit den repetitiven Mustern eine Form der Meditation: “Das Leben ist chaotisch und unvorhersehbar. Mein Bedürfnis für Struktur und ein gewisser (illusionärer) Sinn für Kontrolle manifestiert sich in meiner Arbeit”, wie sie sagt. Aber: Gelungen ist eine Arbeit vor allem durch Brüche oder Störungen des Musters. Es ist ein Rhythmus, der sich in steter Bewegung befindet. Die sich aus der Wiederholung entwickelnde Sicherheit führt zum improvisierten Variieren und Kontrastieren.

Aufgrund einer Rückenerkrankung beendete Tchai Munch ihre Karriere und begann eine Ausbildung zur Multi Media Designerin. Auch ihr Mann war gesundheitlich beeinträchtigt. Ebeltoft Glas wurde 2009 geschlossen und ein kleineres Haus in der Nachbarschaft bezogen. 2011 starb Finn Lynggaard. Seit 2012 kehrt Tchai Munch zum Glas zurück, jetzt aber mit kleineren Formaten und einer Schmuckserie.
Uwe Claassen

Skulptur: Schale

Achilles-Stiftung