BIOGRAPHIE

Volkhard Precht


Volkhard Precht (geb. 1930 in Lauscha, Deutschland – 2006) hat sich in den vom Lampenglas geprägten Strukturen Lauschas höchst eigenständig entwickelt. Sein Vater Ernst Precht (1892–1969) hatte seinerseits in der väterlichen Werkstatt die Fertigung von gläsernem Christbaumschmuck erlernt. In der Zeichenschule fiel sein großes künstlerisches Talent auf und es wurde ihm ermöglicht, die Kunstgewerbeschule in Dresden zu besuchen. Nach dem Ersten Weltkrieg war er Meisterschüler des Malers und Grafikers Walter Conz an der Kunstakademie Karlsruhe. Doch er konnte sich als Maler nicht etablieren und kehrte nach Lauscha zurück, um hier wieder mit Glas zu arbeiten. Mit seinem künstlerisch geschulten Blick erneuerte er die figürliche Glasgestaltung vor der Lampe. Generationen von Glasbläsern folgten Ernst Precht auf seinem Weg bis auf den heutigen Tag. Der Kunsthistoriker Rudolf Kober spricht von ihm als einem der Wegbereiter der modernen Glasgestaltung in Lauscha, dessen Leistungen auf dem Gebiet der Tierplastik ein bisher nicht wieder erreichtes Niveau aufweisen.

Sein Sohn Volkhard ging bei ihm von 1945 bis 1948 in die Lehre und besuchte anschließend bis 1951 als Gastschüler die Fachschule für Keramik und Spielzeuggestaltung in Sonneberg. Anschließend absolvierte er die Meisterprüfung als Kunstglasbläser und übernahm 1959 die Werkstatt seines Vaters. In dieser Zeit prägte Volkhard Precht eine noch strengere und stärker stilisierende Formensprache aus als sein Vater. Ein erster Anlauf, in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen zu werden, scheiterte jedoch 1957: Die Tiergestaltung im Glas galt im Verband als veraltet – die Zukunft sah man im Gefäß. Volkhard Precht machte sich nun Gedanken, wie er sich weiterentwickeln könne. Die Arbeit mit massivem Glas vor der Lampe schien ihm ausgereizt. So kam er auf den Gedanken, in der Glashütte zu arbeiten, um durch die hier möglichen größeren Formate auch zu neuen Gestaltungen zu gelangen. Als unabhängigem Kunsthandwerker war es ihm jedoch nicht möglich, dafür Zeiten in den verstaatlichten Lauschaer Glashütten zugewiesen zu bekommen. So entstand die Idee, im Keller seines Wohnhauses eine Glashütte en miniature, einen Studioofen zu errichten. Mit viel Findigkeit bei der Materialbeschaffung und der Mithilfe alter Hüttenmeister konnte der Ofen 1963 in Betrieb genommen werden. Dies geschah in völliger Unkenntnis der Arbeit von Erwin Eisch in Westdeutschland oder den von Harvey K. Littleton ausgehenden Entwicklungen in den USA. Umso höher ist Volkhard Prechts Pionierleistung im Studioglas zu bewerten. 1964 bewarb er sich erneut um die Aufnahme in den Verband Bildender Künstler der DDR und wurde nach einer zweijährigen Kandidatur 1966 aufgenommen. Die vorgestellten Trinkgläser, Schalen und Vasen waren weder in gestalterischer Hinsicht noch in ihrer Ausführung meisterhaft. Was hier stärker ins Auge stach, war das Potential für eine neuartige künstlerische Entwicklung. In den folgenden Jahren perfektionierte Precht vor allem mit Vasen, Schalen und Flaschen sein technisches Können.

In den 1970er Jahren fand Precht seine unverwechselbare künstlerische Sprache. Er nutzte nun die Wandung seiner Gefäße für malerische Landschaftsdarstellungen. Zunächst führte er die Motive in einer Zwischenschichttechnik aus, indem er mit dem Handbrenner von Glaszapfen Farbflecken auf den heißen Posten aufschmolz und mit Hilfsmitteln wie Pinzette und Haken gestaltete. Höhepunkte dieser Arbeit sind die „Kaukasus-Gläser“, die „Berglandschaften“ und die „Eissturm-Serie“. Später entwickelte Precht eine Folientechnik, bei der er hauchdünne Kugeln blies, die er gezielt zerschlug und die so entstandenen Scherben mit hitzebeständiger Porzellanfarbe bemalte. Diese Folien schmolz er mit dem Handbrenner auf den Glasposten auf. So entstanden sensible Landschaftsserien wie die „Romantische Landschaft“ oder die „Moorlandschaft“. In den 1980er und 90er Jahren kombinierte er diese Technik zudem mit Einlagen von farbigen Glasfaser- und Kupfergeflechten zu oft phantastischen Motiven, wie dem „Seegetier“.

Volkhard Precht selbst sah sich gelegentlich mit einem zwinkernden Auge als „Maler, der sich ins Glas verlaufen hat“. Freies Experimentieren, wie es in den USA an der Tagesordnung war, sah er skeptisch: „Aus der Tradition her kommend, sehe ich keine Notwendigkeit, eine hektische Innovation um ihrer selbst willen zu betreiben, noch damit einen Nachweis höherer Kunst erbringen zu müssen“. In vier Jahrzehnten schuf er ein großartiges Werk, das weltweit Anerkennung fand. Neben den Landschaftsgefäßen fertigte er in einem geringeren Umfang auch architekturbezogene Arbeiten, aus Einzelteilen montierte Glasskulpturen und Sandgussarbeiten. Assistiert wurde er von seiner Frau Renate Precht, die in den 1980er Jahren mit eigenen Arbeiten auftrat und ebenfalls in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen wurde. Auch ihr Sohn Ulrich und dessen Frau Susanne sind international anerkannte Glaskünstler. Mit dem Bau eines eigenen Studioofens und dem Wechsel vom Lampenglas zum Studioglas bzw. zur Kombinationstechnik aus beidem folgten Precht in Lauscha auch Hartmut Bechmann (1939–2013) und Günter Knye (geb. 1936).
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung