BIOGRAPHIE

Pavel Hlava


Pavel Hlava (geb. 1924 in Semily, Tschechoslowakei – 2003) gehört zur ersten Generation tschechischer Glasgestalter, die nach der handwerklichen Ausbildung an einer Glasfachschule und einem künstlerisch orientierten Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Prag in den 1950er Jahren den Sprung in eine internationale Karriere als Glasgestalter schafften. Bei Hlava war es konkret eine Ausbildung von 1939 bis 1942 an der Glasfachschule in Želesný Brod zum Glasschneider und -schleifer. Dem folgte ein künstlerisch orientiertes Studium in Prag in der Glasgravurklasse des Bildhauers Karel Štipl von 1942 bis 1948. Wie viele seiner Kollegen begann Hlava in freier Tätigkeit für verschiedene Glashütten und als fester Mitarbeiter der Abteilung Glas am Institut für Wohn- und Bekleidungskultur (ÚBOK) in Prag mit Entwürfen von Gebrauchsglas und entwickelte sich hin zum künstlerischen Glas, ohne das Gebrauchsglas aus den Augen zu verlieren. Selbst in den 1980er Jahren, nach großen Erfolgen mit skulpturalen Arbeiten, sah er in Entwürfen für maschinenproduzierte Trinkgläser und handwerklich gearbeitete Vasen noch eine lohnende Aufgabe. Für Vertreter der westlichen Studioglas-Bewegung wäre das undenkbar gewesen. Sie sahen sich als Künstler, die den angewandten Bereich hinter sich gelassen hatten. Und noch ein Unterschied ist bezeichnend: Im Westen galt es lange Zeit als geradezu dogmatisch, dass Entwurf und Ausführung in einer Hand liegen mussten. Die tschechischen Glasgestalter hingegen nutzten immer das herausragende handwerkliche Vermögen qualifizierter Hüttenarbeiter und Glasveredler, die ihre Entwürfe ausführten.

Hlava nahm an der Mailänder Triennale 1957 mit Vasen teil, die zu Klassikern geworden sind: Farbloses Kristallglas ist mit farbigen Kernen und Überfängen kombiniert. Die Überfänge sind teilweise weggeschliffen, wodurch verblüffende Wirkungen entstehen. Die Öffnungen sind überwiegend so eng, dass die Arbeiten einen funktionsfreien Objektcharakter annehmen. Gleiches gilt für etwas später entstandene Vasen mit eingestochenen Stacheln, mit denen Hlava dem Verhältnis von Innen- und Außenform nachgeht. Er selbst hat diese Objekte nicht als eine Hebung des Kunsthandwerks auf ein künstlerisches Niveau gesehen, sondern als dekorative Arbeiten, als ästhetische Zierobjekte für den Wohnraum. Seine Vasen aus den 1960er Jahren, die mit Hilfe von Drahtnetzen und Spangenmodeln gefertigt sind, erschließen neue plastische Möglichkeiten, die vorher nicht gesehen worden sind und stellen damit einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des tschechischen Glases dar.

In den 1970er Jahren griff Hlava das Thema Innen/Außen wieder auf und schuf aus verklebten Einzelteilen großformatige abstrakte Skulpturen. Titel wie „Die Zelle/Blüte des Lebens“, „Zivilisation/Industrie“ oder „Zivilisation/Biologie“ deuten Hlavas Inspirationsquelle an: seine Naturverbundenheit und die Rätselhaftigkeit des Universums. Atsushi Takeda sieht diese Arbeiten einer tiefen Verehrung entsprungen, „die den Mysterien des ewigen Lebenskreislaufs gilt“. Auch die nach 1985 entstandenen Arbeiten sind durch die Beschäftigung „mit den Beziehungen und Wechselwirkungen in der Natur“ inspiriert, wie Hlava selbst schreibt. Diese Arbeiten aus dem Zyklus „Natur“, mit Titeln wie „Harmonie“ oder „Synthese“, bestehen jeweils aus einer Reihe von verschieden produzierten Gläsern, die gesägt, geschliffen, poliert und miteinander verklebt sind.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung