BIOGRAPHIE

Ulrike & Thomas Oelzner


Ulrike und Thomas Oelzner (geb.1939 in Steinach/Thüringen, Deutschland – 2012 und 1939 in Leipzig) gehören zu den wenigen Menschen in der DDR, die künstlerisch mit heißem Glas arbeiteten und das nicht in der Glasregion um Lauscha im Thüringer Wald taten. Als Quereinsteiger kamen sie erst relativ spät zum Glas und entwickelten abseits der Thüringer Traditionen eine eigene Formensprache – auch im internationalen Vergleich. Begonnen haben sie als Goldschmiede und lernten sich beim anschließenden Studium zu Beginn der 1960er Jahre an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein in Halle kennen. Deren ebenfalls in der Burg Giebichenstein untergebrachte Vorgängerin, die Kunstgewerbeschule Halle, wurde in den 1920er Jahren zusammen mit den Bauhausschulen Weimar und Dessau zu einer Keimzelle der internationalen Moderne in den angewandten Künsten und im Design. Nach Säuberungen während der NS-Zeit versuchte die Schule nach Kriegsende an die Fortschritte der 1920er Jahre anzuschließen. Doktrinäre kulturpolitische Debatten um die Einführung des sozialistischen Realismus in der DDR, die mit dem Vorwurf des Formalismus abstrakter Arbeit einhergingen, brachten die Hallenser Schule an den Rand der Schließung. Erst in den 1960er Jahren konnte sie sich davon erholen und entwickelte sich neben der Kunsthochschule Berlin-Weißensee zur einflussreichsten nationalen Ausbildungsstätte für Formgestalter (dem in der DDR gebräuchlichen Begriff für Designer), die mit ihrer Ausbildung in den Fachrichtungen der angewandten Kunst bestimmend für die besondere künstlerische Qualität des Kunsthandwerks in der DDR wurde. Ulrike und Thomas Oelzner, die 1962 geheiratet hatten, studierten hier in den Fachbereichen Schmuck/Metall bei Karl Müller, Email bei Irmtraut Ohme und Skulptur bei Gerhard Lichtenfeld.

Gleich nach dem Studium richteten sie sich in Leipzig ein Atelier ein und arbeiteten gemeinsam freiberuflich als Künstler und Designer: Sie stellten Schmuck und Gebrauchsgegenstände her. Zudem arbeiteten sie mit Stahl und Beton an Wasserspielen und Raumteilern. Der Weg zum Glas führte über Altarraumgestaltungen, zu denen sie passende Vasen suchten aber niemanden fanden, der ihre Vorstellungen umsetzte. Ab 1972 erlernte Thomas Oelzner das Glasblasen am Schmelzofen. Das Werk der beiden Oelzners entwickelte sich nun immer stärker im Glas. Unter schweren Bedingungen mieteten sie sich in Glashütten der DDR ein. Zweimal konnten sie durch glückliche Fügungen im Glasstudio Lobmeyr bei Wien arbeiten. 1981 richteten sie sich eine eigene Werkstatt zur Kaltbearbeitung ihrer Hüttengläser ein. Die ersten Arbeiten waren noch an Gebrauchsgegenständen orientiert, an Vasen, Schalen, Bechern und Flaschen. Schon bald fanden sie zur freien Skulptur. Ihre stelenartigen Plastiken aus farblosem Glas sind häufig von Irisschleiern und farbigen Applikationen durchzogen oder teilweise von Glasfasergeweben umhüllt. Wichtig ist ihnen die Spannung zwischen gegenstandsloser Transparenz und optischer Dichte, sowie die Nachvollziehbarkeit des Erstarrens der heißen Glasmasse: „Spuren des Prozesses von der Gestaltwerdung zur Gestalt als lebendiges Moment zu erhalten, erscheint uns wichtig“, so die Künstler. Der grundlegende Gedanke dieser Arbeiten ist es, die hinter der Erscheinungsform wirkenden Kräfte erlebbar werden zu lassen. Noch deutlicher zutage tritt dieses Anliegen in den Arbeiten, bei denen die Oelzners sich mit kosmischen Phänomenen auseinandersetzen. Über viele Jahre verbanden sie in Reihen wie „kosmisch/terrestrisch“ und zahlreichen Einzelobjekten weiche Formen mit angeschnittenen Röhren. Die „schwellenden, durch den menschlichen Atem erzeugten Wölbungen und Dehnungen [stehen] im Kontrast zur harten Stereometrie der geschliffenen Anschnitte, die das System der Röhren und Kugeln geöffnet und die innere Architektur freigelegt haben“, wie Fritz Kämpfer befindet. In organischem Fluss Gewachsenes trifft hier auf mathematische Berechenbarkeit. Ziel ist es, „für das kosmische Gesetz – Entstehen und Vergehen – eine Formel zu finden, die, einer Sprache gleich, jedem verständlich werden kann“.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung