BIOGRAPHIE

Alfredo Barbini


Alfredo Barbini (geb. 1912 in Venedig, Italien – 2007), Sohn eines Büroangestellten und Spross einer venezianischen Familie, die seit 1658 im Glas tätig ist, gehörte zu den großen Persönlichkeiten des venezianischen Glases im 20. Jahrhundert. Als Meisterglasbläser, Entwerfer und Eigentümer einer Glashütte hatte er seit den 1940er Jahren großen Anteil an der Entwicklung in Murano. Schon früh fiel sein Talent auf und er wurde noch als Lehrling bei Ferro Toso in den 1920er Jahren als „Maestrino“ zum Stellvertreter des Meisterglasbläsers ernannt. Nach der Ausbildung arbeitete er als „Maestro“ in verschiedenen Hütten, unter anderem auch für Zecchin-Martinuzzi Vetri Artistici e Mosaici. Dort kam es zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Miteigentümer und künstlerischen Leiter des Unternehmens, dem Bildhauer und zeitweiligen Leiter des Glasmuseums auf Murano, Napoleone Martinuzzi (1892 – 1977). Dieser war zuvor für Venini tätig gewesen. Am Ende der 1920er Jahre führte er in Murano die Arbeit mit opakem, undurchsichtigem Glas ein und leistete damit Innovatives. Beide fanden über Jahrzehnte hinweg immer wieder zusammen, sei es zu einer künstlerischen Ausbildung von Barbini bei Martinuzzi bald nach dem Krieg, oder durch die Produktion von Gläsern.

Erst nach seinen Studien bei Martinuzzi begann Barbini, eigene Entwürfe zu entwickeln und sie umzusetzen. Das tat er zuerst ab 1947 als Teilhaber und Meisterglasbläser bei Gino Cenedese & C und seit 1950 mit seiner eigenen Manufaktur „Vetreria Alfredo Barbini“. Bei Cenedese schuf Barbini figürliche Arbeiten und erste Exemplare der berühmten „Acquario“-Blöcke (siehe Eintrag Vetreria Gino Cenedese). Letztere wurden sowohl im Sortiment von Cenedese als auch von Barbini zu lange nachgefragten Evergreens. In den 1950er Jahren fand Barbini auch zu ungegenständlichen Formen. Typisch für seine eigenen Entwürfe wurde der Kontrast zwischen einer schlichten äußeren Kontur und farbigen Einschlüssen zwischen farblosen Schichten (Sommerso-Technik).

Barbini realisierte auch Arbeiten von Künstlern wie zum Beispiel Robert Wilson aus den USA. Napoleone Martinuzzi ließ von etwa 1960 an bis kurz vor seinem Tod 1977 seine Entwürfe für das Verlagshaus Pauly & C. von Barbini fertigen. Herausragend sind die Vasenobjekte „Inciso“, die ihren Namen von der gestrichelten matten Liniengravur erhalten haben. Die Oberfläche erhält so einen taktilen Reiz und das Innere, das farbige Volumen unter der farblosen Masse, erscheint unscharf und verschleiert, wodurch eine besondere Farbwirkung entsteht. Alfredo Barbini hat diese Objekte mit seinem Namen signiert, auch wenn sie nach Entwürfen Martinuzzis von dem bedeutenden Venezianischen Verlagshaus Pauly & C. vertrieben wurden.

Das 1902 gegründete Handelsunternehmen Pauly & C. erwarb in den 1920er und 30er Jahren Glashütten in Venedig, ließ aber auch weiterhin andere Muraneser Manufakturen für sich arbeiten. Um die Wünsche der wohlhabenden Kundschaft erfüllen zu können, wurden hohe Ansprüche an die Qualität der Gestaltung und die Ausführung der Gläser gestellt. Zahlreiche Zusammenarbeiten mit herausragenden Künstlern, wie z.B. Napoleone Martinuzzi, und die Pflege der Handwerkstechniken der eigenen Mitarbeiter, bzw. die Auswahl der ausführenden Unternehmen stellten das sicher. Auch wenn das Angebot vom historisierenden Prunkgefäß bis zu avantgardistischen Gestaltungen reicht, muss das Wirken von Pauly & C. auf Augenhöhe mit den künstlerisch ambitionierten Hütteneignern gesehen werden.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung